Gemeinsames Gebet von Trinley Thaye Dorje und Ogyen Trinley Dorje für das lange Leben der Reinkarnation von Künzig Shamar Rinpoche

Ein Jahr nach ihrem ersten Treffen veröffentlichten Seine Heiligkeit Trinley Thaye Dorje und Seine Heiligkeit Ogyen Trinley Dorje im Oktober 2019 ein gemeinsames Gebet für das lange Leben der Reinkarnation von Künzig Shamarpa.

Es wird keine Erklärung gegeben, außer dem am Schluss des Gebets stehenden Kolophon, in dem es heißt:

Dieses Gebet unterstreicht die untrennbare spirituelle Verbindung zwischen den Karmapas und Shamarpas als Emanationen desselben Geistesstroms. Wie der 2. Karmapa, Karma Pakshi (1204-1283), erklärte: „Die zukünftigen Karmapas werden sich in zwei Formen manifestieren.“ Diese Worte wurden später vom 4. Karmapa, Rölpé Dorjé (1340–1383), erläutert, der darauf hinwies, dass der Shamarpa als zweite Manifestation seiner selbst wiedergeboren würde. Seitdem sind die beiden Inkarnationslinien stets als Karmapa Shanakpa und Karmapa Shamarpa bekannt, was auf Tibetisch bedeutet: „Karmapa mit schwarzer Kopfbedeckung“ und „Karmapa mit roter Kopfbedeckung“. Als zentrale Personen der Karma-Kagyü-Linie haben sich die Karmapas und Shamarpas gegenseitig in ihrer jeweiligen Funktion anerkannt. […] Innerhalb ihrer Linie hat sich jede neue Inkarnation ihrer berühmten Vorgänger stets würdig erwiesen, was ihre Gelehrsamkeit und spirituelle Vollendung zum Wohle aller Wesen betrifft.^[1]

Das Gebet würdigt diese Beziehung wie folgt:

Es ist fester Bestandteil der Langlebensgebete, die am Ende jeder Meditations-Praxis in den mit Dhagpo Kagyu Ling verbundenen Zentren rezitiert werden.

Vier Jahre später, im Dezember 2023, gaben die beiden Karmapas eine gemeinsame Erklärung zur Reinkarnation von Künzig Shamar Rinpoche ab, in der sie diese Tradition nachzeichneten und bekräftigten,

dass es unsere Verantwortung ist, weiterhin die Reinkarnationen von Künzig Shamarpa anzuerkennen, da eine unbestreitbare und unumstrittene Anerkennung äußerst vorteilhaft wäre, um die Karma Kamtsangs wieder zu vereinen.

Die beiden Karmapas bekräftigen, dass die Anerkennung der Reinkarnation von Shamar Rinpoche eine gemeinsame Anstrengung ihrerseits sein wird, dass sie gemeinsam für seine Ausbildung sorgen werden und dass keine Einmischung von unbeteiligten Parteien akzeptiert werden wird.

Die Erklärung ist auch ein Aufruf an alle Praktizierenden,

die kostbare Praxislinie zu bewahren. Es ist äußerst wichtig, dass wir alle innerhalb dieser Karma Kamtsang-Praxislinie ein Samaya haben, das so untrennbar ist wie Milch, die mit Wasser vermischt ist, und dass wir uns zu einem einzigen zusammenwirkenden Chor vereinen. Wir bitten euch, dies in Erinnerung zu behalten.

Die beiden Karmapas empfehlen allen Dharma-Studierenden nachdrücklich, zwei Praktiken zu rezitieren: das Sutra der drei Anhäufungen und das Mantra von Dorje Sempa. Während des Kurses „Klarheit und Mitgefühl” im Dezember 2023 gab Lama Jigme Rinpoche einige Erläuterungen zu dieser Bitte, die sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene verstanden werden sollte.

Es geht nicht darum, die Dinge unter dem Aspekt von Schuld oder mit dem Gefühl zu betrachten, dass etwas Problematisches geschehen ist, sondern darum, unsere Lebensweise oder unsere Situation zu überdenken.“ Denn es gehe darum, den Mechanismus von Karma und des Entstehens in Abhängigkeit zu verstehen. „Wir sind alle miteinander verbunden, wie in einem Netzwerk. Wenn eine Handlung vollbracht wird, hat diese Handlung eine Auswirkung. Durch diese Praxis und mit der zugrunde liegenden Geisteshaltung des Bodhichitta versuchen wir, alle Wesen dieser Welt, dieses Universums, in unsere Gedanken einzubeziehen, damit die Dinge in eine Richtung gehen, die nicht die des Leids ist. 

^[1]Karma Trinlay Rinpoche. Audace et Tradition. Shamar Rinpoche: portrait d’un maître de notre temps. Rabsel Editions, 2018.